Mitarbeiter finden und binden (3): Sechs Fragen an Bäckermeister Mario Roth."Auf keinen Fall: höher, schneller, weiter!"
Junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk zu begeistern und qualifizierte Fachkräfte langfristig an den eigenen Betrieb binden: Das zu meistern, ist aktuell eine der größten Herausforderungen des Handwerks. Einige Betriebe haben jedoch einen effektiven Weg gefunden, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Wir stellen Handwerker vor, denen genau das gelingt und haben nachgefragt, wie sie dabei vorgehen.
me. Mario Roth, Bäckermeister
Inhaber der Bäckerei Roth in Oberbrechen
Damit verdienen wir unser Geld:
mit dem Backen zahlreicher Leckereien
Mitarbeiterzahl:
15 Mitarbeiter
Anzahl an Lehrlingen:
1 Lehrling
1. Warum bilden Sie aus?
Wir arbeiten in einer wunderbaren Branche, die manchmal bei jungen Menschen in einem negativen Licht steht. Ja, es ist richtig, dass die Arbeitszeiten nicht immer verträglich sind mit Freizeitaktivitäten und ja, die körperliche Arbeit in der Backstube ist mitunter anstrengend und fordert sowohl Kondition als auch Durchhaltevermögen. Richtig ist aber auch, dass es ungemein befriedigend ist, am Ende des Arbeitstages etwas in den Händen beziehungsweise in den Regalen zu haben. Real, nicht virtuell. Und das täglich. Die Werkstoffe sind feine Teige, saftiges Obst, Zucker, Schokolade, selbst hergestellter Sauerteig, geröstete Saaten. All das riecht gut, fühlt sich toll an und kann mit den eigenen Händen geformt werden. Damit dieses kreative und, meines Erachtens, lebensnotwendige Handwerk Zukunft hat, für junge Menschen eine Perspektive sowie eine gute Ausgangslage für ihren weiteren Lebensweg geschaffen wird und um die Liebe zu diesem Beruf zu vermitteln: darum bilden wir aus.
2. Welche Eigenschaften schätzen Sie an einem Mitarbeiter?
Die Eigenschaften, die wir auch von uns selbst verlangen: Herzlichkeit, Wertschätzung und Offenheit. Dinge wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Fachwissen oder die Fähigkeit, sich und seine Arbeit zu organisieren, sind essentiell und werden als Grundvoraussetzung betrachtet. Loyalität gegenüber Unternehmen und Kollegen, die Fähigkeit, auch in Stresssituationen ein Lächeln zu bewahren, ein freundliches Wesen, Lust, die gestellte Aufgabe zu bewältigen und genug Ehrgeiz, um das auch zu schaffen - das alles schätzen wir als Unternehmerfamilie an einem Mitarbeiter.
3. Welche Unternehmensphilosophie verfolgen Sie?
Das wurden wir im Sommer 2019, anlässlich unseres 125-jährigen Betriebsjubiläums, ganz schön oft gefragt. Die beste Antwort darauf ist für mich: "Auf keinen Fall: höher, schneller, weiter!". Neben unserem Stammhaus in Oberbrechen betreiben wir eine Filiale im Nachbarort – das ist alles. Diese größenmäßige Überschaubarkeit macht es uns möglich, flexibel und individuell auf Kundenwünsche einzugehen. Hochwertige Backwaren mit Sorgfalt handwerklich herzustellen, täglich frisch, in reichhaltiger Auswahl und bester Qualität. Das ist es, was wir unseren Kunden bieten wollen.
4. Wie gehen Sie vor, um sowohl motivierte Lehrlinge als auch qualifizierte Fachkräfte für Ihren Betrieb zu finden?
Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass der klassische Weg über Stellenanzeigen und Jobcenter nicht wirklich der unsere ist. Vielmehr arbeiten wir mit den Schulen der Region zusammen und bieten Praktikumsplätze an. Ob Langzeitpraktikum (einmal pro Woche ein halbes Jahr lang begleitend zur Schule) oder das klassische zweiwöchige Betriebspraktikum: bereits einige junge Leute sind so "bei uns hängen geblieben". Sie konnten direkt erleben, was den Beruf und unser Unternehmen ausmacht und dass sie Spaß an der Arbeit haben. In unserer sehr ländlich geprägten Region ist Mundpropanda, Außenwirkung und -auftritt nicht zu unterschätzen. Einige der wichtigsten Faktoren sind Vertrauen, Glaubwürdigkeit und ein gutes Netzwerk. In aller Regel konnten wir in der Vergangenheit so unseren Mitarbeiterbedarf decken.
5. Hinsichtlich der Mitarbeiterbindung: Schaffen Sie bestimme Anreizsysteme oder besondere Vorteile für Ihre Mitarbeiter?
Anreizsysteme im herkömmlichen Sinne verfolgen wir nicht. Der Schwerpunkt bei unserer Mitarbeiterführung liegt definitiv mehr auf der emotionalen Ebene. Wir wertschätzen die Arbeit unseres Teams und es ist uns wichtig, dass wir uns ihnen gegenüber großzügig zeigen. So gibt es natürlich Aufmerksamkeiten zum Geburtstag, Weihnachten, Ostern oder besonderen Anlässen. Auch haben wir für die Anliegen unserer Mitarbeiter immer ein offenes Ohr. Selbstverständlich können ebenfalls nach Feierabend Backwaren mit nach Hause genommen werden.
6. Welchen Rat würden Sie Handwerkern geben, die händeringend nach Lehrlingen oder Fachkräften suchen?
Geht nach draußen, macht euch sichtbar! Ob Handwerksmesse, Printwerbung, Homepage, Facebook oder andere Kanäle – wer nicht sichtbar ist, wird nicht gefunden. Auch ein breites Netzwerk mit guten Kontakten in alle möglichen Richtungen hilft, jenseits der üblichen, klassischen Wege, Menschen zu finden, die am Erlernen eines Handwerks interessiert sind.