Handwerk aus Leidenschaft: Eigentlich wollte Axel Russ Tennisprofi werden. Doch dann machte sein Karriereweg eine Wendung und er folgte der Berufung seiner Familie.Föhnwelle statt Topspin
Fast alle Menschen um Axel Russ herum sind Friseur. Sein Vater, sein Großvater, der Urgroßvater, seine beiden Tanten und auch der Großonkel. "Als ich meine Berufswahl treffen sollte, wusste ich gar nicht, dass man etwas anderes als Friseur werden kann", erzählt er lachend. Anfang der 80er Jahre absolvierte er bei einem renommierten Wiesbadener Friseur ein Schulpraktikum. "Es war einfach nur uncool", erinnert sich der heutige Friseurmeister, "ich musste eine hässliche, braune Schürze tragen und Frauen bedienen, die so viel Schmuck trugen, dass sie kaum laufen konnten." Sein eigentlicher Traum, der Berufung seiner Familie zu folgen, löste sich damit vorerst in Luft auf. Eine Karriere als Tennisspieler hätte er alternativ gerne angestrebt. Jede freie Minute am Nachmittag verbrachte er auf dem Tennisplatz und trainierte. Vormittags besuchte er die Berufsfachschule in Wiesbaden und sammelte dort – gezwungenermaßen - theoretische Kenntnisse im Friseurhandwerk. Rückblickend ist sich der heutige Handwerksmeister sicher, er habe es alleine seinem damaligen Lehrer in der Berufsfachschule zu verdanken, dass er sich doch noch für den Beruf des Friseurs entschied und den Wunsch, Tennisprofi zu werden, an den Nagel hing. Durch das intensive Tennistraining und die Motivation seines neuen Mentors merkte Axel Russ schnell, dass in ihm der Ehrgeiz, immer besser zu werden, schlummerte. Daraus resultierte auch das Credo, welches ihn bis heute begleitet und die oberste Richtlinie in seinem Salon ist: "Wer übt, wird besser". Gepusht von dieser Erkenntnis entwickelte er sich zu einem "Training- und Vorbereitungsfetischisten", wie er sich selbst bezeichnet, und überlässt seither nichts dem Zufall.
Der Weg zum Vize-Weltmeister
Die Tenniskarriere lag nun auf Eis, der Ehrgeiz, etwas zu erreichen, war aber da. Während seiner Ausbildungszeit trainierte ihn sein Vater abends nach Feierabend: Haare färben, schneiden, föhnen, stylen – alles musste bis zur Perfektion beherrscht werden. Ein Entscheid folgte auf den anderen, bis Axel Russ 1996 mit der deutschen Nationalmannschaft bei der Friseur-Weltmeisterschaft in Washington antrat. Als Vize-Weltmeister gingen sie aus dem Wettkampf hervor. Nach insgesamt 13 Jahren, die er für unterschiedlichste Friseurmeisterschaften trainierte, viel Geld und Zeit in die Vorbereitungen investierte, gab er anschließend Seminare für die Firma Schwarzkopf und engagierte sich in der Innungs- und Verbandsarbeit. Nach 10 Jahren war die Zeit reif für einen erneuten Umbruch und er entschloss sich nun vollständig dem Familienbetrieb in Wiesbaden-Biebrich zu widmen: "Man muss etwas loslassen, um weiterzukommen", betont er. 2003 übernahm er den Salon seines Vaters, der bereits 1898 durch seinen Urgroßvater gegründet wurde.
Ein Porsche als Motivation
Mit rund 86.400 Colorationen, 108.000 Strähnungen, 162.000 Herren- und 200.000 Damenhaarschnitten hat sich der 53-Jährige und sein achtköpfiges Team in Wiesbaden einen Namen gemacht. Gemessen am Umsatz gehöre sein Salon Axel Russ hairdesign zu den 0,8 Prozent der erfolgreichsten in ganz Deutschland, so der Friseurmeister. Was ihn täglich ansporne seien die Kunden, die "in seinen Laden kommen, weil sie zum Vize-Weltmeister möchten - und das Ergebnis muss dann auch so aussehen", verrät er mit einem Augenzwinkern. Das schönste an seinem Beruf ist für Axel Russ der Moment, in dem der Kunde überglücklich mit seiner neuen Frisur ist. Allerdings sei er absolut kein Hochstecker, seine Paradedisziplin liege in der Formgebung der Haare und dem Verleihen der passenden Ausstrahlung. Mit seiner Leidenschaft für das Friseurhandwerk möchte er auch möglichst viele junge Menschen anstecken. Er bilde gerne aus, sehe nach zehn Minuten, ob jemand das Talent habe, Friseur zu werden, und kämpfe da auch für jeden Erfolg. Langeweile wäre für ihn am schlimmsten, daher ist er bis heute mit der Berufswahl zufrieden, die er vor rund 30 Jahren getroffen hat. „Da wir im Salon täglich mit den verschiedensten Menschen arbeiten, stehen wir immer neuen Herausforderungen gegenüber“, so Axel Russ. Zudem animiere er seine Auszubildenden, sich so früh wie möglich Ziele zu setzen. Dabei spiele es auch keine Rolle, von welcher Motivation diese Ziele geprägt seien. "Ich wollte beispielsweise so früh wie möglich einen restaurierten Porsche bei meinem Bruder Andreas kaufen", erzählt er.
Was ist das Erfolgsgeheimnis?
Die Russ-Brüder haben in unterschiedlichen Handwerken ihre Leidenschaft gefunden und sind für ihre Leistungen über die Grenzen von Wiesbaden und Umgebung hinaus bekannt. Doch was genau macht Andreas und Axel Russ so erfolgreich? "Meinen Bruder und mich gibt es nur mit unseren Firmen, sie sind Teil unserer Persönlichkeit. Wir investieren jeden Tag in unsere Leidenschaft, unsere Arbeit. Unser Erfolg basiert aber auch auf Mut, Durchhaltevermögen und dem Motto ‚geht nicht, gibt’s nicht'", erklärt Axel Russ. Diesen Kampfgeist hätten beide von ihrem Vater in die Wiege gelegt bekommen, der auch mit über 80 Jahren sofort wieder den Arbeitsalltag rocken würde, wenn Not am Mann wäre. Denn "geht nicht, gibt’s nicht".