Handwerk aus Leidenschaft: Warum es im Arbeitsalltag von Rick Reimann um das große Glück geht und Schulnoten für ihn zweitrangig sind.Mit Sehkraft zu mehr Lebensqualität
Wenn Rick Reimann morgens sein Geschäft betritt, lässt er als erstes den Blick durch seinen Laden schweifen. Über die verschiedenen Brillengestelle, den Verkaufstresen und den "Behandlungsplatz" samt Messgeräten, die er erst vor kurzem in einem hellen Türkis lackiert hat. Der Augenoptikermeister hat in einem Handwerk seine Leidenschaft gefunden, das er eigentlich nie für sich in Betracht gezogen hat. Doch heute weiß er ganz genau, worin der Mehrwert seiner Tätigkeit besteht. Rick Reimann verhilft Menschen zu mehr Lebensqualität. Mit einer eingeschränkten Sehfähigkeit konfrontiert zu sein, sei für die Betroffenen häufig mehr als etwas, das man "einfach" mit einer Brille ausgleicht. Daher, betont der Handwerksmeister, ginge es in seinem Beruf vor allem um das große Glück, das Menschen erfahren, wenn sie einen Teil ihrer Sehkraft zurückerhalten.
Die eigenen Ideale verwirklichen
Der berufliche Werdegang von Rick Reimann begann vor rund 13 Jahren, als der heute 32-Jährige seinen Schulabschluss machte. Wirklich gute Noten seien auf seinem Zeugnis nicht zu finden gewesen. Die Arbeitsagentur schlug ihm vor, er könne doch Augenoptiker werden. Damit konnte der damals 19-Jährige so gar nichts anfangen. Da er sich zu diesem Zeitpunkt jedoch schon als sehr kommunikativ einschätzte, Freude am Umgang mit Menschen hatte und kein Plan B in der Hinterhand, folgte er dem Vorschlag der Arbeitsagentur. Auf seine Gesellenprüfung folgte 2012 der Meister im Augenoptikerhandwerk und seit drei Jahren ist Rick Reimann nun auch stolzer Besitzer eines eigenen Betriebs in Niedernhausen. Mit "Rick Reimann Augenoptik" hat der Augenoptikermeister einen Ort geschaffen, an dem er sein Handwerk nach seinen Vorstellungen umsetzen kann und seine Ideale als oberste Priorität auf der Tagesordnung zu finden sind: sich die Zeit zu nehmen, um jedem Kunden den bestmöglichen Service zu bieten, Altenheime zu betreuen und Hausbesuche bei Menschen durchzuführen, die aufgrund ihrer Sehschwäche nicht in der Lage sind, eigenständig sein Geschäft aufzusuchen.
Wertvolle Erinnerung: Eine Geschichte, die ihn täglich motiviert
So kam es auch, dass sich der Handwerksmeister der häufigsten Augenerkrankung in der westlichen Welt annahm, der altersbedingten Makula-Degeneration. Diese führt bei Menschen über 50 Jahren zu einem schleichenden Sehzellensterben, wodurch Betroffene nach und nach das Augenlicht verlieren. "Die abgestorbenen Zellen können nicht wiederbelebt werden, aber mit den richtigen Sehhilfen und einer intensiven Betreuung kann den Erkrankten fünf bis zehn Prozent ihrer Sehkraft zurückgegeben werden", erklärt Rick Reimann. Seine individuelle Vorgehensweise bei der altersbedingten Makula-Degeneration ist mittlerweile auch zu seinem Steckenpferd geworden. An eine Geschichte erinnert er sich in diesem Zusammenhang besonders gerne. Ein 88 Jahre alter Herr, der in einem Altenheim wohnt, leidet an dieser chronischen Augenerkrankung. Da seine zentrale Sehleistung weitestgehend zerstört war, konnte er schon seit sechs Jahren nicht mehr lesen, schreiben und eigenständig leben. Da der Mann aufgrund dessen nicht zu Rick Reimann in das Geschäft kommen konnte, besuchte der Handwerksmeister ihn insgesamt acht Mal im Altenheim, um Messungen vorzunehmen und verschiedene Sehhilfen auszuprobieren. Reimann stattete den Mann mit einem Bildschirmlesegerät und einer Brille mit Blaulichtfilter, Gelbtönung und Eigenvergrößerung aus.
"Letztlich hat sich das wirtschaftlich nicht gerechnet, ich habe wahrscheinlich sogar draufgelegt", erinnert sich der Augenoptikermeister. Eine Woche später erhielt Rick Reimann Post. Einen handgeschriebenen Brief. Absender war der Mann aus dem Altenheim. Schreiben und Zeitung lesen wären schon immer seine größten Hobbys gewesen. Jetzt habe er endlich wieder die Möglichkeit, diesen Beschäftigungen nachzugehen, selbstständig zu agieren und am Leben teilhaben zu können. "In solchen Momenten erkenne ich, wofür ich meine Arbeit verrichte. Genau dafür liebe ich meinen Beruf", erzählt Rick Reimann und ist dabei von Stolz erfüllt.
Was für die Zukunft geplant ist
Drei Jahre lang hat er nun an der Etablierung seines Ladens gearbeitet und möchte in diesem Jahr erstmalig ausbilden und somit sein Wissen, seine Werte und seine Leidenschaft für das Handwerk weitergeben. Als Eigenschaften müsse man Freundlichkeit, Geduld und die Liebe zum Detail mitbringen. Für ihn seien die Schulnoten eines Bewerbers zweitrangig, sagt er, und denkt dabei an seinen eigenen Werdegang zurück. "Meine Schulnoten waren miserabel. Dies hat sich allerdings schlagartig geändert, als ich meine Ausbildung begonnen habe. Da hatte ich dann sogar einen Einserschnitt. Ich bin davon überzeugt, dass man nur gut sein kann, wenn man mit Herzblut und Leidenschaft bei der Sache ist", betont er. Aktuell arbeitet der Handwerksmeister auch an einer eigenen Brillenkollektion. Diese soll vor allem die Individualität der Kunden in den Mittelpunkt rücken. Der Verkaufsstart ist für Ende des Jahrs geplant.